multinationale Konzerne

A: aš-šarikāt al-mutaʽaddidat al-ǧinsīyāt. – E: multinational corporations. – F: entreprises multinationales. – R: mnogonacional’nye koncerny. – S: empresas multinacionales. – C: duōguó gōngsī 多国公司

Bernd Röttger, Hanns Wienold

HKWM 9/II, 2024, Spalten 1589-1598

Marx weist im Kapital darauf hin, dass »der Weltmarkt […] die Basis und Lebensatmosphäre der kapitalistischen Produktionsweise bildet« (K III, 25/120). Er zeigt, dass die kapitalistische Warenproduktion von Beginn an darauf zielt, nicht nur den Verkauf, sondern auch die Produktion international auszurichten. Bereits im Manifest hebt er hervor, dass »die Bourgeoisie« in ihrem »Bedürfnis nach einem stets ausgedehnteren Absatz für ihre Produkte« sich überall »einnisten, überall anbauen, überall Verbindungen herstellen« muss (4/465).

Ab dem späten 19. Jh., im Stadium des Imperialismus bzw. Monopolkapitalismus, gewinnen die Internationalisierungstendenzen des Kapitals u.a. durch ausländische Direktinvestitionen neue Konturen. Der Terminus mK wird jedoch erst seit den 1960er Jahren zur Kritik kapitalistischer Expansion gebräuchlich. Mit ihm werden formal die – zu jener Zeit sich verstärkt herausbildenden – Unternehmen bezeichnet, die aufgrund ihrer Kapitalkonzentration über Produktionsstätten in verschiedenen Nationalstaaten verfügen. Der Terminus fungiert also als »Ausdruck einer Realität der Multinationalisierung [des Kapitals], die es schon wesentlich länger gibt«, und fasst lediglich die Tatsache, dass »nationale Unternehmen« auch »Tochterfirmen im Ausland besitzen bzw. kontrollieren« (Cartelier 1986, 902). Als Schlagwort der Kapitalismuskritik reflektiert er die in der Krise des Fordismus zunehmende Tendenz, dass international agierende Unternehmen Nationalstaaten und Gewerkschaften unter Druck setzten. Der Umsatz der großen mK überstieg die Haushalte vieler Nationalstaaten, deren ökonomische Interventionen durch konzerninternen Kapitaltransfer konterkariert werden konnten. Zudem verschaffte der »Einsatz globaler Strategien« den mK »gegenüber den nationalen oder örtlich organisierten Gewerkschaften eine enorme Überlegenheit« (Levinson 1972, 39). So wurden z.B. inszenierte Standortkonkurrenzen möglich, um in innerbetrieblichen Klassenauseinandersetzungen Druck auf bestehende Tarifvereinbarungen auszuüben.

Aber erst durch die produktionstechnische Angleichung der verschiedenen Standorte und ihre computergestützte Integration in einen transnationalen Produktionszusammenhang im Hightech-Kapitalismus wurden die sich mit den mK bereits abzeichnenden Machtverschiebungen zwischen Nationalstaaten und Konzernen vollends Wirklichkeit. Die sich in der Krise des Fordismus anbahnenden Angriffe auf die Arbeiterklasse prägten zunehmend den Alltag betrieblicher und gewerkschaftlicher Abwehrkämpfe. Auch deshalb wurde im Zuge der sog. Globalisierung des Kapitalismus seit den 1980er Jahren der Ausdruck mK sukzessive durch den der ›transnationalen Unternehmen‹ bzw. transnationalen Konzerne verdrängt. So veröffentlicht die UNCTAD seit 1991 die jährlichen World Investment Reports, um – wie es im Vorwort zum Bericht von 1991 heißt – den Anstieg und Fluss »ausländischer Direktinvestitionen« in »transnational corporations« zu dokumentieren. Dennoch überlebte der Ausdruck mK umgangssprachlich und abwertend in der Bezeichnung ›die Multis‹.

Während sich eine an Marx orientierte KrpÖ um eine Theorie des transnationalen Kapitalismus bemüht, um die weltmarktorientierten Kapitalstrategien, Organisations- und Kontrollstrukturen in hierarchisch geführten Konzernen zu analysieren, dient die Rede von ›transnationalen Unternehmen‹ in der bürgerlichen Ökonomie meist der bloßen Deskription globaler Verflechtungen, in der v.a. mit der Vorstellung transnationaler horizontaler ›Netzwerke‹ jeder Begriff von Hierarchie oder Macht verloren geht.

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m/multinationale_konzerne.txt · Zuletzt geändert: 2024/02/05 23:31 von christian     Nach oben
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