Militärkeynesianismus
A: kīnzīya al-ʽaskarīya. – E: military keynesianism. – F: keynésianisme militaire. – R: voenno-keynsianstvo. – S: keynesianismo militar. – C: jūnshì kǎiēnsī zhǔyì 军事凯恩斯主义
James M. Cypher (MW)
HKWM 9/I, 2018, Spalten 953-965
Die Alternative »Kanonen vs. Butter« ist die Grundlage eines berühmten und metaphorisch aufgeladenen Modells der neoklassischen Ökonomie. Sie ist Ausdruck der Grundannahme, Ökonomie sei reduzierbar auf effizientes Auswählen unter Bedingungen der Knappheit, und erinnert zugleich an die von den Nazis erhobene Forderung »Kanonen statt Butter«. Das Konzept des M hingegen lehnt die Gültigkeit dieser Alternative ab und beschreibt makroökonomische Politiken, mit denen es innerhalb eines bestimmten institutionellen Rahmens möglich ist, »mehr Kanonen und mehr Butter« zu produzieren.
Als strukturell-historischer Begriff versucht M in erster Linie, eine treffende Beschreibung der Dynamik der US-Wirtschaft zu liefern, bes. für den Zeitraum 1947-72, als sich der M zunächst als Resultat einer Transformation des Sozialkeynesianismus der Roosevelt-Ära unter den Bedingungen der militärischen Aufrüstung im Zweiten Weltkrieg herausgebildet hatte. Zentrale Akteure des M sind ein aufrüstender Staat, ein politisch einflussreiches Rüstungskapital sowie die Gewerkschaften. Die Bündelung dieser Akteure unter bürgerlich-demokratischen Verhältnissen zum Projekt weltweit überlegener Militärmacht und die Nutzung der Rüstung für eine antizyklische Wirtschaftspolitik bildet die Konstellation, in der der M in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg aufsteigt, in den 1970er Jahren in die Krise gerät, nach der neoliberalen Wende dennoch in wesentlichen Grundzügen fortgeführt wird und nach dem Fall der SU erfolgreich nach neuen Formen sucht. Sowohl die Anhänger als auch die Kritiker des Konzepts des M fragen nach den Triebkräften und Kräfteverhältnissen dieser Entwicklung.
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