Mindestlohn
A: ḥadd adnā lil-ʼaǧr. – E: minimum wage. – F: salaire minimum. – R: minimal’naja zarabotnaja plata. – S: salario mínimo. – C: zuìdī gōngzī 最低工资
Nikolaus Dimmel
HKWM 9/I, 2018, Spalten 996-1003
Mit dem arbeitsmarkt- und armutspolitischen Instrument M sollen Beschäftigungsverhältnisse mit ausreichendem Einkommen für die Arbeitenden ausgestattet werden. Strategisch bedeutsam wurde M in den lohnpolitischen Kämpfen der Gewerkschaften während der Krise des Fordismus in den entwickelten Kapitalismen, als bestehende Klassenkompromisse aufgekündigt wurden, tarifpolitische Übereinkünfte in Betrieben und Branchen ihre Bindungskraft verloren und staatliche Arbeitsmarktpolitik für die Ausweitung von Niedriglohnsektoren sorgte oder diese billigend in Kauf nahm. Zu Beginn des 21. Jh. verfügen weltweit etwa 90% aller Staaten über – institutionell unterschiedliche – M-Regelungen (ILO 2008, 34). Tarifär oder gesetzlich bestimmte M.e werden oft durch staatliche Geld- sowie Sachleistungen ergänzt. ›Niedriglöhne‹ erhalten vorwiegend Frauen, jüngere Lohnarbeitende, Geringqualifizierte und Teilzeitbeschäftigte.
Marx’ Antwort auf die Frage, wie Arbeitsbedingungen geschaffen werden können, die nicht Elend und Ausbeutung reproduzieren, lautet 1865 in Lohn, das »Lohnsystem« abzuschaffen, aber nicht zu vergessen, dass das »gegenwärtige System« auch die materiellen Bedingungen und gesellschaftlichen Formen produziert, »die für eine ökonomische Umgestaltung der Gesellschaft notwendig sind« (16/152). Demgegenüber zielen spätestens die Debatte um decent work, also ›gute‹ bzw. ›menschenwürdige‹ Arbeit, und Politiken um M im Anschluss an die Decent Work Agenda der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) von 1999 auf soziale Sicherung und Produktivität durch Einbindung der Arbeitenden ins kapitalistische System.
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