Mensch-Natur-Verhältnis
A: ʽalāqat al-’insān bi aṭ-ṭabīʽa. – E: relationship of humans and nature. – F: relation homme-nature. – R: otnošenie čeloveka s prirodoj. – S: relación hombre-naturaleza. – C: rén yǔ zìrán de guānxì 人与自然的关系
Wolfdietrich Schmied-Kowarzik (I.), Manfred Bürger (II.)
HKWM 9/I, 2018, Spalten 592-610
I. Das MNV ist durch den gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsprozess vermittelt und bestimmt. Die Menschen sind unaufhebbar in die Natur eingebunden. Sie modifizieren durch die Produktion ihr Verhältnis zur Natur, ihre gesellschaftlichen Organisationsformen wie auch ihre eigene und die sie umgebende Natur.
Die Entwicklung der Produktion schafft nicht nur unermessliche Reichtümer und Abhängigkeiten der arbeitenden Klassen. Die schrittweise Emanzipation der Menschen aus unmittelbaren Naturabhängigkeiten geht zugleich einher mit fortschreitenden Zerstörungen der Umwelt, ihre Lebensgrundlage fortwährend riskanter untergrabend. Indem das kapitalistische Verwertungsregime durch Raubbau an den natürlichen Lebensgrundlagen »die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter« (Marx, K I, 23/530), hinterlässt es den kommenden Generationen schier unlösbare Probleme.
II. Der auf der elektronisch-automatischen Produktionsweise basierende Hightech-Kapitalismus (HTK) tritt mit der Vernetzung der Computer zum Internet (ab 1990) in eine Phase der beschleunigten Globalisierung ein. Dabei vollziehen sich auch im Bereich der Mensch-Maschine-Symbiose und damit im MNV insgesamt epochale Umbrüche. In der Forschung wird, von »biovisionären Diskursen« angefeuert, die »von der Eugenik bis zum Human Enhancement«, der hochtechnologischen Leistungssteigerung des menschlichen Organismus (Heil/Coenen 2013), reichen, die »Konvergenz von Nano-, Bio-, Informations-, Kommunikations- und Neurotechnologien und den zugehörigen Wissenschaften« (Kehl/Coenen 2016, 41) vorangetrieben. Konnte man die durch die Gentechnologie des 20. Jh. ausgelösten Inwertsetzungsprozesse zu Recht als »Geburt des Biokapitalismus« fassen (vgl. dazu Argument 242, 2001, H. 4/5), tritt dieser im 21. Jh. in ein neues Entwicklungsstadium und verschränkt sich mit dem, was unbestimmt die ›digitale Revolution‹ genannt wird. Dies hat Umwälzungen des MNV zur Folge. Zur Jahrhundertwende kündigten sie sich in der techno-theologischen Hybris an, die Frank Schirrmacher es zum »Wesen der gegenwärtigen Revolution« erklären ließ, »dass sie die Urkraft der Evolution, dass sie die Zeit selbst in ihre Hände gelegt bekam«, was der damalige Chef von Incyte Genomics, Roy Whitfield, mit dem Ausruf überbot: »Wir haben hier so etwas wie den Heiligen Gral in der Hand« (zit.n. Haug 2003, 89).
➫ Aufklärung, Automation, Destruktivkräfte, Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse, Entfremdung, Erde, Evolution, Exkremente der Produktion, Exterminismus, Fortschritt, Gattungsfragen, Gentechnologie, Geschlechterverhältnisse, Globalisierung, Grenzen des Wachstums, Grüne Revolution, hochtechnologische Produktionsweise, Inwertsetzung, Klima, Klimapolitik, Klonen, Künstliche Intelligenz, Landnahme, Materialismus (geographischer), Materialismus (neuer feministischer), Menschenbild, Menschheit, Menschwerdung, Mesokosmos, Metaphilosophie, nachhaltige Entwicklung, Natur, Naturallianz, Naturbeherrschung, Naturdialektik, Naturschutz, Naturverhältnisse (gesellschaftliche), Netzwerktheorie, Ökofeminismus, Ökologie, Ökologisierung der Produktion, Posthumanismus, Praxisphilosophie, Produktivkraftentwicklung, Raubbau, Reproduktionstechnologien, Ressourcen, Stoffwechsel, Technik, Technikentwicklung/technologische Revolutionen, Technikkritik, technischer Fortschritt, Technosphäre, Transhumanismus, Umwelt, Utopie, Verdinglichung, Vier-in-Einem-Perspektive, Zerstörung, zweite Natur, zweiter Widerspruch des Kapitalismus