Machismus (machismo)
A: tafāḫur bi-ḏukūra. – E: machismo. – F: machisme. – R: machizm. – S: machismo. – C: dànánzǐ zhǔyì 大男子主义
Victor Rego Diaz (I.), Diana Mulinari (NR, FH) (II.)
HKWM 8/II, 2015, Spalten 1476-1484
I. »M« bezeichnet zunächst patriarchale Geschlechterverhältnisse und misogyne und homophobe Verhaltensweisen von Männern in Lateinamerika. Der Ausdruck wurde global aufgenommen und ist im politischen Sprachgebrauch von Feministinnen sowie in der Alltagssprache auch in den westlichen Industrieländern etabliert, um Diskurse und Praxen von Männern sichtbar zu machen und zu skandalisieren, die in symbolischer, verbaler und/oder gewaltsamer Weise Frauen und Homosexuelle erniedrigen und unterordnen. Er wird dabei nicht in gleicher Weise wie in Lateinamerika genutzt, um strukturelle Verhältnisse zu bezeichnen, für die sich andere Begriffe wie Sexismus, Patriarchat, Geschlechterverhältnisse, Gender-Regime usw. herausgebildet haben. Der Nutzen, dennoch dem globalisierten Sprachgebrauch zu folgen, liegt in der fokussierten Sichtbarmachung bewusster und gezielter Taktiken der (Re-)Maskulinisierung. Somit wird »M« zur allseits verwendeten Bezeichnung für männliches Dominanzverhalten und damit auch zur Waffe, es zu bekämpfen. Diese Anti-M-Politik beeinflusste u.a. auch in Deutschland die erziehungspolitische Debatte um die Pädagogisierung von Dominanz- und Devianzverhalten von Jungen. Dabei bezieht sich die Debatte um eine (Re-)Integration von Jungen in gesellschaftliche Institutionen wie Schule (z.B. Chwalek u.a. 2013) und Arbeitsmarkt (z.B. Sturzenhecker 2013) eher auf konstruktivistische ›verstehende‹ (z.B. Winter 2011) und weniger auf konfliktbezogene ›konfrontative‹ pädagogische Ansätze (z.B. Toprak 2005) der Jungenarbeit.
II. […] M kommt vom spanischen Wort macho, das männliche Tiere bezeichnet (im Gegensatz zu hembra für weibliche). Im Zuge der spanischen Kolonisierung gewann das Wort positive Bedeutung, zielte auf Kraft und Mut, die fortan männlich kodiert sind: »Ser macho, tener huevos« (ein echter Kerl sein, Eier haben) bezieht sich auf die Fähigkeit zu führen, zu kämpfen und Widerstand zu leisten, symbolisch verortet in den männlichen Genitalien.
Als Kampfbegriff wurde M von Feministinnen in die lateinamerikanische öffentliche Debatte gebracht, um männliche Dominanz und deren Verquickung mit Sexismus, Mysogynie und Homophobie zu fassen. Auch in den Sozialwissenschaften, bes. in Psychologie und Anthropologie, wird der Ausdruck verwendet und bezeichnet dort eine spezifische Form der Geschlechterkultur in Lateinamerika sowie patriarchale Geschlechterverhältnisse innerhalb der Latino- und puertorikanischen Gemeinschaften in den USA. In dieser Tradition beschreibt M eine Form von Männlichkeit, die auf symbolischer und physischer Gewalt gründet.
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