Münzenberg-Konzern
A: šarikāt muntzenberġ. – E: Münzenberg trust. – F: groupe Münzenberg. – R: koncern Mjuncenberga. – S: Grupo Münzenberg. – C: Míngcénbèi’ěrgé (chūbǎn) jítuán 明岑贝尔格(出版)集团
Uwe Sonnenberg
HKWM 9/II, 2024, Spalten 1614-1624
M (auch ›Münzenberg-Laden‹) bezeichnet ein Mediengeflecht in der Weimarer Republik, das exemplarisch für gelungene kommunistische, parteipolitisch unabhängige und wirtschaftlich eigenständige Agitation und Propaganda steht. Möglich wurde dies ausgehend von der Oktoberrevolution, einer in revolutionären Kämpfen erstrittenen Republik, ihren von Massenbewegungen und Streiks gekennzeichneten Anfängen und ihrer krisenhaften Entwicklung, situiert im Ringen von Komintern und KPD um politisch-kulturelle Hegemonie in Deutschland, dem Land, von dem ausgehend die Fortführung der Revolution erwartet wurde.
Aus publizistischer Unterstützung der Internationalen Arbeiterhilfe (IAH) hervorgegangen, gelang es dem M, das bürgerliche Meinungsmonopol zu durchbrechen. Eugen Prager brachte im sozialdemokratischen Vorwärts die Bezeichnung M auf, als er dem Kommunisten Willi Münzenberg nachsagte, einen »Konzern« zum »Handel mit geistiger Ware« geschaffen zu haben (1929). Münzenberg habe den Ehrgeiz, sich mit Alfred Hugenberg und Hugo Stinnes auf eine Stufe zu stellen – also mit den Exponenten des montan- und rüstungsindustriellen Kapitals, die große Teile der Medien unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Der M unterliege dabei weder den »Wahrheiten des bürgerlichen Rechts« noch »irgendeiner Art proletarischer Kontrolle« (ebd.). Münzenbergs Replik in der Zeitschrift Der Rote Aufbau verweist auf die Einbindung der Projekte in die IAH; »proletarische Organisationen« seien geradezu in der Pflicht, »wirtschaftliche Unternehmungen zu besitzen« (1929/1972, 168), um den »bürgerlich kapitalistischen Pressekonzernen« nicht das »Monopol der Massenbeeinflussung« zu überlassen (165) und »eine breite revolutionäre Massenpropaganda und Agitation« aufzubauen (169).
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