informelle Wirtschaft
A: al-ʼiqtisād ġair ar-rasmī. – E: informal economy. – F: économie informelle. – R: neformal’naja chozjajstvo. – S: economía informal. – C: fēizhèngshì jīngjì 非正式经济
Mario Candeias, Wolfgang Fritz Haug, Giustina Orientale Caputo
HKWM 6/II, 2004, Spalten 1108-1116
Als Sammelkategorie bezieht iW sich auf eine Vielzahl heterogener ökonomischer Aktivitäten. Sie umfasst legale wie illegale Formen der Produktion und oft weit auseinanderliegende gesellschaftliche Felder mit unterschiedlichen Entwicklungs- und Verbreitungsstufen des Phänomens (vgl. Bagnasco 1986; Besozzi 2001). Ferner bezieht sie sich auf innerhalb wie außerhalb des Marktes gehandelte Waren, geldvermittelte oder unmittelbare Tauschverhältnisse, Aktivitäten also, die ganz oder teilweise außerhalb institutionalisierter Normen ablaufen. Da diese Aktivitäten in den offiziellen Statistiken kaum Berücksichtigung finden, weil sie sich der Erfassung entziehen, wird das Ausmaß der iW regelmäßig unterschätzt.
Rechnet man, wie es oft geschieht, auch die nicht über den hauswirtschaftlichen Kreis hinausgehenden, also nicht in den gesellschaftlichen Austausch verflochtenen Selbstversorgungsaktivitäten, Eigen- und Familienarbeiten zur iW im weiten Sinn, ergibt sich ein ebenso ausgedehnter wie diffuser Bereich. Formen der iW im engen (auf Teilnahme am gesellschaftlichen Stoffwechsel bezogenen) Sinn lassen sich bes. in folgenden Bereichen ausmachen: Hausindustrie; kleine Warenproduktion; Dienstleistungen für Dritte unter Bedingungen ungeregelter Arbeitsverhältnisse; Produktion und Verteilung von Gütern und Dienstleistungen, welche die Arbeitsgesetzgebung, die Handelsbestimmungen, die Verträge mit Gewerkschaften, die Steuernormen – teilweise oder in allen Punkten gleichzeitig – verletzen.
Angesichts der Mehrdeutigkeit und Heterogenität des unter iW Subsumierten ist auf Begriffsklärung zu drängen. Unterschieden werden müssen: 1. unbezahlte Reproduktionsarbeit und Subsistenzwirtschaft; 2. nicht-gemeldete, nicht-dokumentierte marktbezogene kleine Warenproduktion und Warenhandel als Formen von ›Überlebensökonomie‹; 3. steuerlich nicht gemeldete bzw. erfasste Lohnarbeit; 4. kapitalistische Produktion und Handel in den Grauzonen der Legalität, die die geltenden Standards unterschreiten; und 5. illegale oder kriminelle Aktivitäten.
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