Naturallianz
A: taḥāluf ma’a aṭ-ṭabīʽa. – E: nature alliance, alliance with nature. – F: alliance avec la nature. – R: prirodnyj al’janc. – S: alianza con la naturaleza. – C: zìrán tóngméng 自然同盟
Beat Dietschy
HKWM 9/II, 2024, Spalten 2043-2079
Der von Ernst Bloch geprägte Begriff N zielt auf ein synergetisches Verhältnis zwischen menschlicher und nicht-menschlicher Produktivität. Er antizipiert das Ende einer von Unterwerfung und Ausbeutung bestimmten Naturbeziehung und postuliert dafür die konkrete Utopie einer »Allianztechnik« (PH, 802) zur »Entbindung und Vermittlung der im Schoß der Natur schlummernden Schöpfungen« (813). Die Vorstellung einer »solchen Allianz« wird von Bloch erstmals in einem Brief an Adolph Lowe vom 12. Oktober 1944 ins Spiel gebracht (1985a, 741) und im damals entstehenden Kapitel über die technischen Utopien in Das Prinzip Hoffnung (Kap. 37) breiter entfaltet. Bloch trägt damit der in der marxistischen Tradition lange vernachlässigten Tatsache Rechnung, dass »Geschichte bei Marx und Engels ›die Beziehung der Menschen zu sich selbst und zur Natur‹ als arbeitenden materiellen Kern hat« (EM, 225; vgl. K III, 25/826f). Er knüpft am unvollendeten engelsschen Projekt der Naturdialektik an und führt die Gesellschaft und Natur vereinigende Kommunismuskonzeption des jungen Marx (Ms 44, 40/536ff) fort, die er auf die Kurzformel »Naturalisierung des Menschen, Humanisierung der Natur« (PH, 235) bringt.
Im 21. Jh. scheint der von kapitalistischer Wertvermehrung getriebene Prozess der ›Natureroberung‹ so weit getrieben zu werden, dass er zur »Liquidierung« seiner »Konquistadoren« ansetzt (Dries 2012, 419). Blochs im Zweiten Weltkrieg im Kontext von Massenvernichtungswaffen entstandenes N-Konzept ist angesichts »drohender Selbstausrottung des Menschen« sowie der »gründlichen Zerstörung seiner natürlichen Existenzbedingungen« (EM, 251) noch dringlicher geworden. Es kann als Leitbegriff der fälligen »Nachhaltigkeitsrevolution« (Dörre 2021) im Naturverhältnis gesellschaftlicher Praxis verstanden werden. Seine Doppelperspektive lautet: »aufrechter Gang auf bewohnbarer Erde« (Bloch, 1961, GA 6, 257).
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