kultureller Materialismus

A: māddīya aṯ-ṯaqāfīya. – E: cultural materialism. – F: matérialisme culturel. – R: kul’turnyj materializm. – S: materialismo cultural. – C: wenhuaweiwuzhuyi 文化唯物主义

H. Gustav Klaus (I.), Ingo Lauggas (II.)

HKWM 8/I, 2012, Spalten 350-357

I. Der kM ist ein v.a. in Großbritannien entwickelter und verankerter Zweig marxistischer Kulturtheorie, der die Analyse des literarischen Textes um politische und kulturgeschichtliche Dimensionen erweitert und aus der Wechselwirkung zwischen kulturellem Artefakt und gesellschaftlich-geschichtlichen Gegebenheiten Schlüsse auf die sozialen Strukturen und die Möglichkeit zieht, auf diese einzuwirken. Der kM ist bei der Analyse zunächst kanonischer Texte einem interdisziplinären Methodenpluralismus verpflichtet und grenzt sich von konservativen Strömungen v.a. der textimmanenten Kritik (New Criticism) ab.

II. Raymond Williams' Reformulierung des Kulturbegriffs bezieht alle Lebens-, Organisations- und Kommunikationsformen ein und begreift jegliche soziale Praxis als Ergebnis kultureller Beziehungen: »What we sometimes call ›culture‹ – a religion, a moral code, a system of law, a body of work in the arts – is to be seen as only a part – the conscious part – of that ›culture‹ which is the whole way of life.« (1958) Diese weite Definition im Sinne von ›ganzer Lebensweise‹ oder ›Lebensart‹ grenzt das Kulturelle auf keinen Ort in der Gesellschaft ein und macht ›Kultur‹ zu »one of the two or three most complicated words« (1976a). Williams' Überlegungen gehen von den überkommenen Konzeptionen von Kultur aus, die er drei Kategorien zuordnet: einer ›idealen‹ Bestimmung, in der Kultur, Bildung konnotierend, für menschliche Vervollkommnung steht; einer ›dokumentarischen‹, in der »Kultur als das Korpus geistiger und imaginativer Werke erscheint, in denen menschliches Denken und Erfahrung« aufgezeichnet sind; schließlich einer ›gesellschaftlichen‹, in der Kultur als Lebensweise zum Ausdruck kommt, »deren Werte sich nicht nur in Kunst und Erziehung ausdrücken, sondern auch in Institutionen und im ganz gewöhnlichen Verhalten« (1977c). Jede dieser Bestimmungen habe »ihren Wert«, entscheidend sei die Zusammenführung der jeweils sich ergebenden Aufgabenstellungen: im ersten Fall geht es darum, die Werte herauszuarbeiten, die für eine »zeitlose Ordnung« stehen (…); auf der ›dokumentarischen‹ Ebene fällt Kulturanalyse in eins mit Kritik im weitesten Sinn; für die ›gesellschaftliche‹ Bestimmung entfaltet Williams ein Modell von Kulturanalyse, das für die Cultural Studies prägend werden sollte und das die Elemente einer bestimmten Lebensweise in den Blick rückt, zu denen auch »die Organisierung der Produktion, die Struktur der Familie, der Aufbau bestimmter, die gesellschaftlichen Beziehungen regierender oder sie widerspiegelnder Einrichtungen, die charakteristischen Kommunikationsformen« gehören (…).

Alltag, ästhetische Theorie, Autonomie der Kunst, Basis, Erfahrung, Gramscismus, Hegemonie, historischer Materialismus, Idealismus/Materialismus, Ideologietheorie, Intellektuelle, Kultur, kulturelle Wende, Kulturstudien (Cultural Studies), Kunst, Kunstwerk, Lebensweise/Lebensbedingungen, literary criticism, Literaturkritik, Massenkultur, Materialismus (praktisch-dialektischer), materielle Kultur, Neue Linke, Ökonomismus, Poesie, Politik des Kulturellen, Poetik, Sprache, Subalternität, Theater, Überbau, Weltliteratur, westlicher Marxismus, Widerspiegelung

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