Identitätslogik
A: (al-huwīya al-mantiqīya) mantiq at-tamāhi. – E: identity logic. – F: logique d’identité. – R: toždestvennaja logika. – S: lógica de la identidad. – C: tongyixing luoji 同一性逻辑
Regina Becker-Schmidt
HKWM 6/I, 2004, Spalten 665-671
Die Frage, unter welchen Umständen ›Identität‹ (Einerleiheit, Selbstgleichheit) gedacht werden kann, bildet einen Schwerpunkt der abendländischen Philosophie. Formale identitätslogische Konstruktionen sind konstitutiv für Wissenschaften, wo Sachverhalte in sich stimmig sein müssen und wo Elemente durch Subsumtion unter ein logisches Prinzip zu einer Einheit zusammengefasst werden können. In der formal von solcher I ausgehenden Axiomatik der Mathematik etwa kann Widerspruchsfreiheit gefordert werden, weil sich alle Elemente möglicher Rechenoperationen durch Erweiterung des Systems der natürlichen Zahlen ergeben, welche in einem Kontinuum gleicher Abstände angeordnet sind. Wenn wir es aber mit Erscheinungen zu tun haben, in denen Ungleichartiges zusammengefügt ist, wird I zum Problem. Das hat Friedrich Nietzsche auf den Punkt gebracht: »Ich habe den Verdacht, dass die Dinge und das Denken nicht adäquat sind. In der Logik nämlich herrscht der Satz des Widerspruchs, der vielleicht nicht bei den Dingen gilt, die Verschiedenes, Entgegengesetztes sind.« (Nachgelassene Schriften)
Von Hegel und Nietzsche bis in die Postmoderne sind identitätslogische Konstruktionen dafür kritisiert worden, dass sie Bestimmungen, die sich einer Vereinheitlichung nicht fügen, und Verschiedenheiten, die durch die Veränderung eines Sachverhalts zustande gekommen sind, in Begriffen und Analysen von Faktizität zum Verschwinden bringen. Bes. Theodor W. Adorno hat in seiner Identitätskritik deutlich gemacht, dass I nicht nur eine Art des Philosophierens ist, die die Dinge auf das ihnen Gemeinsame reduziert, indem sie alles Besondere von ihnen abzieht. I geht als Mittel, soziale Abweichung zu tilgen oder Ungleichheit auszublenden, in gesellschaftliche Praxis ein. Herrschaftsverhältnisse sind durch identifizierende Denkformen konstituiert, die soziale Differenz unterdrücken.
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