intensive/extensive Reproduktion
A: ʼiʽadat al-intāǧ al-muwassaʽa/ʼiʽadat al-intāǧ al-mukaṯṯafa. – E: intensive/extensive reproduction. – F: reproduction intensive/extensive. – R: intensivnoe/ekstensivnoe vozproidstvo. – S: reproducción intensiva/extensiva. – C: nèihán de / wàiyán de zàishēngchǎn 内含的 / 外延的 再生产
Wolfgang Fritz Haug, Klaus Steinitz
HKWM 6/II, 2004, Spalten 1323-1331
Marx unterscheidet i/eR als dominant qualitativ vs. dominant quantitativ erweiterte Reproduktion; iR lässt sich als begriffliche, auf komplexe theoretische Analysen verweisende Bezeichnung des sog. ›qualitativen Wachstums‹ auffassen. Während der Begriff der Akkumulation in der KrpÖ auf Kapital und Wertquanten bezogen ist, richtet Marx mit dem Begriff der Reproduktion den Blick auf die Gesellschaft und bezieht die Gebrauchswertseite der Gesamtökonomie ein. Reproduktion in diesem Sinne umfasst Akkumulation, kann sich jedoch, wie Marx zeigt, selbst als intensive unabhängig von dieser bewegen. Indem iR die Produktionsmittel im Zuge ihres stofflichen Verschleißes (oder ihrer technologischen Veraltung) nicht auf dem alten Stand, sondern auf einem produktiveren wiederherstellt, muss sie ferner begrifflich unterschieden werden von Intensivierung der Arbeit, unabhängig davon, ob diese bei gegebenem sachlichem Produktivkraftniveau oder einhergehend mit iR betrieben wird.
In der Geschichte des Staatssozialismus spielte die Unterscheidung i/eR eine wichtige Rolle. Zumal der Richta-Report projektierte am Vorabend des ›Prager Frühlings‹ den Übergang zu einer EDV-basierten Produktions- und Lebensweise. Eine »grundlegende Wandlung der Wachstumstypen« mit Dominanz »intensiven Wachstums« bzw. iR (1971), oft auch als »qualitatives Wachstum« umschrieben, galt in Verbindung mit der Demokratisierung der Wirtschaft zugleich als eigentliche ökonomische Basis eines seinem Anspruch gerechter werdenden demokratischen Sozialismus. Die militärische Unterdrückung dieses Aufbruchs und das in der Folgezeit dominierende Politikmuster einer zentralistischen Kommandowirtschaft plus Nachahmung des fordistischen Massenkonsums der kapitalistischen Zentren machte diesen Bestrebungen zunächst ein Ende. Die DDR versuchte in den 1960er Jahren, den Erfordernissen der iR mit einem »Neuen Ökonomischen System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft« (NÖSPL) Rechnung zu tragen. Dieser Reformversuch scheiterte zum einen am Widerstand der ›Konservativen‹ in der Führung der SED gegenüber den ›Reformern‹ um Walter Ulbricht, zum anderen am Charakter der Reform als Veränderung von oben und der Furcht vor einer Reformbewegung von unten und schließlich an der überhasteten Einführung, so dass in Wirtschaft wie Alltag die negativen Wirkungen der begonnenen Wirtschaftsreform überwogen (Roesler 2000). In den 70er/80er Jahren spielten in der DDR und den anderen europäischen Staatssozialismen Probleme der iR eine wichtige Rolle in der politischen Zielsetzung sowie in wirtschaftstheoretischen Arbeiten. Die Wende von der eR zur iR scheiterte jedoch abermals, v.a. an den politischen und ökonomischen Strukturen. In der Zeit der Perestrojka, dem letzten Reformversuch der SU vor dem Zusammenbruch, wurde der Übergang von der eR zur iR als Überlebensfrage des Systems und die entsprechende Umwälzung der gesamten Gesellschaftsstruktur im Sinne einer Demokratisierung als imperative Notwendigkeit begriffen. Die Halbheiten einer ›Revolution von oben‹, die Hinterlassenschaften des ›befehlsadministrativen Regimes‹, die eskalierenden ökonomischen Belastungen des Wettrüstens und der Ausbruch der bisher unterdrückten nationalen Spannungen besiegelten das Schicksal dieses Projekts und damit das der SU und des europäischen Staatssozialismus insgesamt.
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