Fabrikgesetzgebung
A: tašrī‛at al-ma‛mal. – E: factory legislation. – F: législation de fabrique. – R: fabričnoe zakonodatel’stvo. – S: legislación de fábrica. - C: gonchanglifa
Thomas Marxhausen
HKWM 4, 1999, Spalten 37-45
Marx fasst die F als »erste bewusste und planmäßige Rückwirkung der Gesellschaft auf die naturwüchsige Gestalt ihres Produktionsprozesses« (KI), eine »Einmischung in die Exploitationsrechte des Kapitals«. F regelt das Ausmaß, in dem das Kapital die Arbeitskraft in der Fabrik ausbeuten darf. Sie entstand in einem langen Prozess der Dokumentation und öffentlichen Anklage (durch Fabrikinspektoren) der verheerenden Zustände in den Fabriken des frühen Industriezeitalters, die die Gesundheit der Arbeitenden untergruben und selbst Kinder von unter 10 Jahren unmenschlichen Bedingungen aussetzten und regelrecht verbrauchten. Sie war zugleich ein Kompromiss innerhalb der Kapitalistenklasse und vor allem von der Seite des Staates die Bemühung, das Kapital daran zu hindern, seine eigene Grundlage zu zerstören. Insofern wird F zugleich als bloßer Schutz der kapitalistischen Produktion und Befriedung der Arbeiterklasse diskutiert, wie umgekehrt als Beweis der Möglichkeit, auf dem Reformweg die Lage der Arbeiterklasse langfristig zu bessern. Marx sieht in der F eine transitorisch wichtige Errungenschaft auf dem Weg zur Befreiung der Arbeiterklasse.
[…] Am Ende des 20. Jh. scheint die Geschichte der F mit den durch die neoliberale ›Deregulation‹ geförderten Praktiken der Produktion von Extramehrwert auf globalem Maßstab an einen neuen Anfang gekommen. Die transnationalen Kapitale umgehen die nationalen Schranken und Regulierungen, sie hebeln »die Trilaterale von Kapital, Staat und gewerkschaftlich aggregierter Lohnarbeit« aus (Haug 1999). Über neue Dispositionsmechanismen wie ›Flexibilisierung der Arbeit‹, ›Zeitfragmentierung‹, ›Scheinselbständigkeit‹ usw. erfolgt die Unterlaufung der in langen Kämpfen errungenen Regelungen von Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen, die im wilden Kapitalismus der ›Freien Produktionszonen‹, dem Reich der maquiladoras oder sweat shops, sowieso keine Rolle spielen. Die Not, überhaupt einen Arbeitsplatz zu bekommen, lähmt den Widerstand, der neuer, erst noch zu entwickelnder Formen der Internationalisierung bedarf.
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