evolutorische Ökonomie
A: iqtiṣād mutaṭawwir. – E: evolutionary economics. – F: économie évolutive. – R: ėvoljucionnaja ėkonomija. – S: economía evolutiva. – C: jinhua de jingjixue 进化的经济学
Heinz-Dieter Haustein
HKWM 3, 1997, Spalten 1059-1078
Marx war nach dem Zeugnis von Schumpeter »der erste Ökonom von Spitzenrang, der sah und systematisch lehrte, wie ökonomische Theorie in historische Analyse und wie die historische Erzählung in histoire raisonnée verwandelt werden kann« (1980; vgl. 1964). Dagegen wird die Geschichtlichkeit der wirtschaftlichen Abläufe vom neoklassischen mainstream seit Menger, Walras und Pareto als unnötig für den axiomatischen Aufbau der Theorie angesehen. Entscheidend ist hier die Fragestellung nach den Gleichgewichtsbedingungen, der Statik des Systems. Die eÖ sucht nach Wegen, die daraus resultierenden Defizite in Weiterführung der herrschenden neoklassischen Theorie oder in kritischer Abgrenzung zu ihr zu überwinden. Sie schließt dabei in zentralen Aspekten implizit und explizit an (im ML verdrängte) marxsche Erkenntnisse an.
EÖ im weiteren Sinne ist die Gesamtheit der Denkansätze oder Theorien, welche die Wirtschaft in ihrer qualitativen Veränderung und als Teil der gesamten natürlichen, gesellschaftlichen und geistigen Evolution untersuchen. Sie wird unterm Einfluss der Selbstorganisationstheorien in den Naturwissenschaften (Prigogine/Stengers 1981, Ebeling 1986, Jantsch 1992, Ayres 1994) seit den 1980er Jahren verstärkt ausgearbeitet und hat sich mit dem Journal of Evolutionary Economics seit 1991 internationalen etabliert. Sie versteht sich »als bessere mathematische Theorie […], die nicht nur statisch und nicht nur dynamisch, sondern […] auch noch evolutionär Wirtschaftsprozesse beschreiben und erklären kann« (Schwarz 1997). Die eÖ ist eng verbunden mit dem Entstehen der ökonomischen Innovationstheorie in der Tradition Schumpeters, aber auch mit dem von Veblen begründeten Institutionalismus. Zu ihren Arbeitsrichtungen gehören neben der mathematischen Modellierung der Evolution einzelner Unternehmen und Technologien (Arthur 1984) empirische Untersuchungen zur Entstehung und Ausbreitung von Innovationen und umfassendere Ansätze der Analyse des technologischen oder technisch-ökonomischen Paradigmenwechsels (Dosi/Orsenigo 1988). Die eÖ erfährt Impulse von den Theorien der Autopoiesis, der Katastrophen- und Chaostheorie, der biologischen Evolutionstheorie, der Synergetik und der Theorie nichtlinearer Prozesse. Als Heterodoxie im ökonomischen Denken hat sie keine einheitliche theoretische Struktur, und es wird bezweifelt, ob eine solche wünschenswert ist (Witt 1991).
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