Entzauberung

A: naza‛ al-qadāsa. – E: disenchantment. – F: désenchantement. – R: vyvedenie iz sostojanija očarovanija. – S: desencantamiento. – C: jiemei 解魅

Holger Leidig

HKWM 3, 1997, Spalten 590-604

»Die kapitalistische Epoche ist eine Etappe auf dem Weg zur E«, notiert Siegfried Kracauer 1927 in Das Ornament der Masse (1977). Er nimmt damit einen Begriff auf, den Max Weber einige Jahre zuvor aus seinen religionssoziologischen Untersuchungen gewonnen hat. Diese spüren der Frage nach, welche kulturinternen Bedingungen für das Entstehen des okzidentalen Rationalismus verantwortlich waren, den er der Entwicklung kapitalistischer Verhältnisse zugrundelegt. Das Ergebnis dieses Rationalisierungsprozesses, die vollständig entzauberte, d.h. die in der Vorstellung der Wissenschaft berechenbar und beherrschbar gewordene Welt, kennzeichnet Weber als »stahlhartes Gehäuse« (RS I). Georg Lukács, Max Horkheimer und Theodor W. Adorno schließen an diese Diagnose an, wenn sie von einer fortschreitenden Verdinglichung oder der verwalteten Welt sprechen. Sie teilen aber nicht Webers Konsequenz, sein letztlich affirmatives Verhältnis zur Wissenschaft als »fachlich betriebenem Beruf« (WL), das sie als positivistische Selbstbescheidung im Dienste des Bestehenden interpretieren. Im Zentrum ihrer Wissenschaftsauffassung steht die Möglichkeit von Veränderung und die Rolle, die eine selber entzauberte Wissenschaft dabei spielt. Jürgen Habermas’ Projekt, kritische Theorie im Wissenschaftsbetrieb zu etablieren, kann so als Versuch gesehen werden, Entmythologisierung, durchaus auf der Linie von Marx, nicht einzuschränken, sondern zu universalisieren. Inwieweit er dabei aber den Preis der Anpassung an das zahlt, was bei Marx als zu verändernde Produktionsverhältnisse auftritt, ist die andere Frage. Die Diskussion um die E führt so zur Wahl zwischen konkurrierenden wissenschaftstheoretischen Programmen und zu den »Möglichkeiten und Grenzen der Erforschung der geschichtlich-gesellschaftlichen Welt« (Weiss 1993).

Aufklärung, Dialektik, ehern, Emanzipation, Epoche, Fetischcharakter der Ware, Fortschritt, Geschichtsphilosophie, Gespenst, Industriegesellschaft, Innovation, Klassenbewusstsein, Kritische Theorie, Kulturindustrie, Moderne, Modernisierung, Mystifikation, Mythos, Naturbeherrschung, Ökologie, Okzidentalismus, Produktivkräfte, Rationalisierung, Rationalität, Religion, Religionskritik, Säkularisierung, Sinn, Taylorismus, technischer Fortschritt, Verblendungszusammenhang, Verdinglichung, Vernunft, Vernunftkritik, weberianischer Marxismus, Wissenschaft, Wissenschaftskritik

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