Eule der Minerva
A: būmat al-mīnirfā. – E: Owl of Minerva. – F: Oiseau de Minerve. – R: sova Minvervy. – S: lechuza de Minverva. – C: minafa de maotoying 密纳发 的猫头鹰
Wolfgang Fritz Haug
HKWM 3, 1997, Spalten 971-979
Hegel beschließt die Vorrede zu seinen Grundlinien der Philosophie des Rechts von 1821 mit zwei aneinandergeschlossenen Bildern, deren Wirkung seitdem nicht nachgelassen hat: »Wenn die Philosophie ihr Grau in Grau malt, dann ist eine Gestalt des Lebens alt geworden, und mit Grau in Grau lässt sie sich nicht verjüngen, sondern nur erkennen; die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug.« (…)
»Das Gleichnis ist prachtvoll, eines der ganz großen der Literatur, eines, das Shakespeares würdig wäre« (Bloch, Subjekt-Objekt). Was es besagen soll, spricht Hegel im Kontext nachdrücklich aus: Seine Abhandlung solle »nichts anderes sein als der Versuch, den Staat als ein in sich Vernünftiges zu begreifen und darzustellen. Als philosophische Schrift muss sie am entferntesten davon sein, einen Staat, wie er sein soll, konstruieren zu sollen; die Belehrung, die in ihr liegen kann, kann nicht darauf gehen, den Staat zu belehren, wie er sein soll, sondern vielmehr, wie er, das sittliche Universum, erkannt werden soll.« (…) Hegel behauptet seine Theorie als kritiklos gegenüber ihrem Gegenstand, kritisch nur gegen dessen Kritiker oder gegen dessen untaugliche Rechtfertigung durch die Historische Rechtsschule. Zum Belehren, wie die Welt sein soll, komme »ohnehin die Philosophie immer zu spät. Als der Gedanke der Welt erscheint sie erst in der Zeit, nachdem die Wirklichkeit ihren Bildungsprozess vollendet und sich fertig gemacht hat.« (…) Auch die Geschichte zeige, »dass erst in der Reife der Wirklichkeit das Ideale dem Realen gegenüber erscheint und jenes sich dieselbe Welt, in ihrer Substanz erfasst, in Gestalt eines intellektuellen Reichs erbaut« (…). Hieran schließt sich das Doppelbild, in dem »sich der Philosoph aus dem Maler in einen Raubvogel« verwandelt (Demandt 1978).
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