Hausfrau

A: rabbat al-bait. – E: housewife. – F: ménagère. – R: domochozjajka. – S: ama de casa. – C: zhufu 主妇

Frigga Haug

HKWM 5, 2001, Spalten 1196-1209

H‹ ist ein Wort der Alltagssprache; allgemein bekannt ist die damit gemeinte Gestalt, doch gilt Hegels Diktum, dass das, was allgemein bekannt ist, deshalb noch lange nicht erkannt ist. »Die Räume wachsen, es dehnt sich das Haus. Und drinnen waltet die züchtige H«, heißt es in Friedrich Schillers Lied von der Glocke. Die H wird als Personifikation von Frauenunterdrückung zum Brennpunkt von Befreiung – entweder abgeschafft oder umgekehrt zum allgemeinen Subjekt von Befreiungsbewegung gemacht. Maria Rosa dalla Costa rief 1973 mit Erfolg zum H.en-Streik auf. Mit dem Slogan »Alle Frauen sind H.en!«, wollte Simone de Beauvoir 1984 die sich zersplitternde Frauenbewegung erneut konzentrieren, während Christine Delphy (1984) die H.en mit der Begründung zur ausgebeuteten Klasse erklärte, dass Hausarbeit eine eigene Produktionsweise sei, in der Frauen über ihre eigene Arbeitskraft nicht frei verfügen.

Die Allgegenwärtigkeit der H steht in scharfem Kontrast zu ihrer Abwesenheit in den Archiven begrifflichen Wissens. Eine Suche in 15 Handwörterbüchern und Lexika ergab: es gibt zumeist nicht einmal das Stichwort im Register, geschweige denn einen eigenen Artikel. Das gilt gleichermaßen für historische Wörterbücher – so für die GG – wie für ökonomische oder theologische, philosophische oder soziologische. Das HWPh führt die Stichworte Haus und Haushalt (als Staatsbudget), aber keine H. EE verweist weiter auf einen umfangreichen Artikel ›Frauen‹, in dem die H allerdings eine verschwindende Randexistenz führt. Das Wörterbuch der ML-Soziologie kennt nicht einmal Haus. Doch dann plötzlich taucht sie auf, die H im Sozialismus, im Meyers Lexikon der DDR von 1962, wenn auch sogleich im Modus ihrer historischen Aufhebung in »H.en-Brigaden«, d.h. »Arbeitsbrigaden, die sich aus nicht-berufstätigen H.en zusammensetzen und freiwillig gegen entsprechende Entlohnung meist zeitweilig in bes. unter Arbeitskräftemangel leidenden Betrieben arbeiten« (Bd. 4). – Für die kapitalistische BRD gibt das Konversationslexikon Auskunft über jenes namenlose Heer: »H, jede Frau, die selbständig einen Haushalt führt, auf eigene Rechnung oder auf Kosten naher Familienangehöriger« (Brockhaus Enz., 17.A., Bd. 8, 1969); »auch als Berufsbez. gebraucht. Rechtlich wird die grundsätzliche Gleichwertigkeit der Tätigkeit im Haushalt und der Erwerbstätigkeit des Ehepartners anerkannt (1360 BGB)« (Der Brockhaus in 5 Bänden, 8.A., Bd. 2, 1993). Der populäre Nachweis öffnet den Weg zur Begriffsbestimmung: H ist ein ›Formbegriff‹ für die Akteurin einer in entscheidender Hinsicht ›informellen‹ ökonomischen Funktion. In dieser Form sind gesellschaftliche Funktionen historisch spezifisch verdichtet, geschlechtlich kodiert und rechtlich zumindest im Umriss fixiert. Die materielle Ausfüllung dieser ›allgemeinen‹ Form variiert nach Kultur und unterscheidet sich radikal nach Klassenlage.

Aufhebung, Doppelbelastung, Ehe, Familie, Familienarbeit/Hausarbeit, Fordismus, Form, Frauenbewegung, Frauenformen, Gesamtarbeit, Geschlecht, Geschlechterverhältnisse, Geschlechtervertrag, gesellschaftlich notwendige Arbeit/Arbeitszeit, Gewohnheitsrecht, Hausarbeitsdebatte, Hausfrauisierung, häusliche Produktionsweise, Herrschaft, historische Individualitätsformen, Konsument, Lohnarbeit, Postfordismus, Produktionsverhältnisse, Produktivkräfte, Reproduktion, Schönheit, Sexualität, Warenästhetik

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h/hausfrau.txt · Zuletzt geändert: 2024/02/16 20:40 von christian     Nach oben
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