Grüne Revolution
A: aṯ-ṯaura, al-ḫaḍrā’. – E: Green Revolution. – F: Révolution verte. – R: Selënaya revolucija. – S: Revolución verde. – C: lüse geming 绿色革命
Bastiaan Wielenga
HKWM 5, 2001, Spalten 1051-1062
Der Begriff hat sich als Bezeichnung für die in den 1950er Jahren eingeleitete kapitalistische Umwälzung der Landwirtschaft in der ›Dritten Welt‹ eingebürgert, in der die Verbreitung von neuen hybriden Saatgutsorten eine zentrale Rolle spielte. Die GR bildete eine neue Phase in der langwierigen Transformation einer lokal kontrollierten, auf Artenvielfalt beruhenden Ökonomie zu einer global zentralisierten, vom Großkapital beherrschten, zunehmend homogenisierten und vom steigenden Einsatz chemischer Mittel abhängigen landwirtschaftlichen Produktion.
Die GR wäre nur noch von historischem Interesse – eine mittlerweile abgeschlossene Entwicklung, die allerdings ihr Versprechen, das Problem des Welthungers zu lösen, nicht gehalten hat –, würden nicht seit dem letzten Jahrzehnt des 20. Jh. Hauptakteure der globalen Wirtschaft, insbesondere die Chemiekonzerne, das alte Programm in Gestalt einer »zweiten GR«, einer »gentechnischen Revolution«, neu auflegen. Da hierbei wiederum allen Warnungen vor einer kommerziellen Nutzung unerprobter Techniken mit dem Argument begegnet wird, im Kampf gegen den Hunger sei Eile geboten, ist es wichtig, die Erfahrungen mit der ersten GR auszuwerten. Dabei sind auch die Einsichten der ökologischen Bewegung einzubeziehen. Das ›grün‹ der GR war ebenso wenig ökologisch gemeint wie das der ›Grünen Woche‹ in Berlin. Die Erfahrungen und Folgen der GR sind aber, wie Barry Commoner, Brewster Kneen und Vandana Shiva gezeigt haben, ökologisch höchst relevant.
Die unbekannten Urheber der Bezeichnung GR wählten diesen Ausdruck, der zumindest indirekt die Notwendigkeit revolutionärer Änderungen anerkennt, in einer Zeit der Angst vor einer »roten« Agrarrevolution nach dem Vorbild Chinas. Damals wuchs die Einsicht, dass Agrarreformen unumgänglich waren. Aus dem plakativen Begriff spricht die Hoffnung von Politstrategen, Großkonzernen und herrschenden Klassen, dass es gelingen könnte, die hungrigen Massen nicht nur ohne eine rote Revolution, sondern auch ohne große Reformen zu ernähren und ruhig zu halten: durch technologische Produktivitätssteigerung und erweiterte Märkte für die transnationalen Konzerne.
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