gesunder Menschenverstand
A: al-‛aql al-bašarī as-salīm. – E: common sense. – F: bon sens. – R: čelovečeskij razum, zdraviyj smysl. – S: buen senso. – C: liangzhi 良知
Peter Jehle
HKWM 5, 2001, Spalten 680-693
Der Begriff gewinnt seinen Stellenwert innerhalb des Marxismus durch die Problematik einer anti-ökonomistischen Hegemonietheorie, wie sie vor allem von Gramsci ausgearbeitet wurde, der den gM (buon senso) als »gesunden Kern« des Alltagsverstandes (senso comune) fasst (Gef 6). Für einen Marxismus, der sich die Entwicklung kritischer Handlungsfähigkeit der in die Reproduktion der Verhältnisse widersprüchlich eingespannten ›Subalternen‹ zur Aufgabe macht – jenseits einer edukationistischen Anordnung von Erziehern und zu Erziehenden –, wird diese Bestimmung zentral.
Die romanischen Hauptsprachen machen die Unterscheidung von »gut« (bon, buon, buen) und »gemein/gemeinsam« (commun, comune, común) problemlos mit, während im Englischen nur der Term »common sense« zur Verfügung steht und im Deutschen ein terminologischer Sonderweg zu »gesund« führt. Der anonyme Verfasser eines deutschen Kommentars zur Philosophie du bon sens des Marquis d’Argens (1746), der aus seinem christlich motivierten »äußersten Eckel und Abscheu« gegen die hier propagierte Aufklärungsphilosophie kein Hehl macht, gebraucht noch den Term »guter Verstand« (…).
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