Bedeutung
A: ma‛na. – E: meaning. – F: signification. – R: značenie. – S: significado. – C: yiyi
Thomas Weber
HKWM 2, 1995, Spalten 95-116
B ist eine Elementarform menschlicher Praxis. In der Produktion und Reproduktion ihres Lebens haben die ›Dinge‹ und ›Umstände‹ für die Menschen immer schon eine bestimmte Relevanz im Verhältnis zu ihren Bedürfnissen und deren Befriedigung (vgl. Marx, Randglossen). Heidegger spricht von der »Als-Struktur« der menschlichen Praxis. Im »Zu-tun-haben« ist das Womit schon als etwas »bedeutet« (…). Bedeutung (Objekt) und Deutung (Subjekt) liegen hier zusammen. Aus diesem praxisimpliziten Be-deuten sind die expliziten Deutungen der Welt zu verstehen. Daß diese »möglich« und »nötig« sind, problematisiert Günther Anders in seiner »Dialektik der Deutung« (1980): »Die Fähigkeit ist die Antwort auf die Nötigkeit – womit ich sage, daß kein lebendiges Leben in einer abgedunkelten Welt auch ›nur ein Nu lang‹ leben könnte« (…).
Das Existentielle des Bedeutens klingt in der ursprünglichen B von bedeuten noch an: mit dem Finger auf etwas hinweisen in der Absicht, es bemerklich zu machen; das Wort leitet sich von ahd. und mhd. diuten her, was klar, hell machen, ins Licht setzen heißt. Auch der prognostische oder mantische Sinn (das gegenwärtige x bedeutet ein kommendes y, Deutung eines Vorzeichens) ist zunächst alltagspraktisch (etwa im Verwendungszusammenhang einer Art Wettervorhersage aufgrund von Naturzeichen). Sprachreflexiv wird das Wort wohl erst im Kontakt mit einer fremden Sprache. Bedeuten bzw. deuten verweist auf goth. piuda, ahd. diota diot, was soviel heißt als dem »Volk, den Deutschen verständlich machen, verdeutschen« (Grimm, Deutsches Wörterbuch, Leipzig 1854) – besonders mit Bezug auf die lat. Kirchensprache. Die Substantivierung und Substantialisierung scheint sich erst im Kontext der spezifischen Intellektuellentätigkeit der Übersetzung bzw. Rekonstruktion »heiliger Texte« zu ergeben (wobei »B« erst seit dem 15. Jh. als Übersetzung von lat. significatio auftritt) und auf die Wiederherstellung der Originaltexte der älteren griechischen Autoren aus dem 5. Jh. im Alexandrien des 3. Jh. v.u.Z. (Lyons 1974) zurückzugehen. Hier liegen die Ursprünge der Semantik, die aber als »Wissenschaft von den B.en« (M.Breal) erst Ende des 19. Jh. als Teil der Sprachwissenschaft bzw. der Semiotik und der Psychologie entsteht.
Die Frage nach der B bildet »das Zentralproblem der nichtmarxistischen Philosophie des 20. Jh.« (Schaff 1968). […] Marxistisch stellt sich die Frage der B als gesellschaftstheoretische und herrschaftskritische. Gesellschaftssysteme bringen semiotische Basissysteme hervor, in denen Herrschaft entnannt und reproduziert wird.
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