Faschismustheorie

A: naẓīrat al-fāšīya. – E: theory of fascism. - F: théorie sur le fascisme. – R: teorija fašizma. – S: teoría del fascismo. – C: faxisihuyi lilun

Reinhard Kühnl

HKWM 4, 1999, Spalten 165-186

Die wissenschaftliche Diskussion über den F entwickelte und veränderte sich entsprechend der Realentwicklung ihres Gegenstandes, wobei sich drei Stufen unterscheiden lassen: 1. Die Herausbildung faschistischer Ideologien und Bewegungen in verschiedenen europäischen Ländern in der Periode nach dem Ersten Weltkrieg. Deren politischen und sozialen Charakter zu erfassen, erwies sich rasch als dringlich für Sozialisten und Kommunisten, die von diesen Bewegungen zum Hauptfeind erklärt worden waren, aber auch für Liberale und Anhänger der bürgerlichen Demokratie. – 2. Der F an der Macht. Die faschistischen und faschismusähnlichen Herrschaftssysteme in Italien (1922), Deutschland (1933), Österreich (1934), Spanien (1936/39) und Japan (erste Hälfte der 30er Jahre) wiesen nicht nur ein enormes Maß an Terror auf, sondern auch neue und effektive Formen der Massenintegration; ebenso – sofern sie die militärischen Voraussetzungen besaßen – einen starken Willen zu rücksichtslosem und alle Völkerrechtsnormen negierendem Eroberungskrieg. Die Ursachen und Triebkräfte dieser Terror- und Aggressionspotenz und die Machtstruktur dieser Systeme zu erkennen wurde damit nicht nur für die Gegner des F im eigenen Land, sondern auch für die den faschistischen Staaten benachbarten Länder äußerst dringlich. – 3. Die Periode seit der Niederwerfung der faschistischen Großmächte. Nun erscheint das Faschismusproblem hauptsächlich als ein historisches: In den entwickelten kapitalistischen Ländern gibt es zwar seit 1945 mancherlei faschistische Ideologien und Bewegungen, die aber bisher nirgends bestimmenden Einfluss erlangen konnten – mit der Ausnahme Italiens, wo die neofaschistische Partei 1994 vorübergehend zur Regierungspartei in einer Koalition der Rechten aufsteigen konnte. Nur in den ›Randzonen‹ der kapitalistischen Welt (wie Chile, Argentinien, Türkei, Griechenland) wurden faschismusähnliche Herrschaftssysteme neu errichtet. Andererseits kam nach 1945 das Ausmaß der Verbrechen des F erst voll ans Tageslicht. Die Frage, wer dafür verantwortlich war, polarisierte die politische und wissenschaftliche F-Diskussion. Da nun die Argumente der Linken wie die Dokumentenpublikationen seit dem Internationalen Militärtribunal 1945/46 das starke Gewicht kapitalistischer Interessen zeigten, stand und steht dabei der Kapitalismus als Gesellschaftssystem zur Diskussion – und nicht nur das Verhalten einer bestimmten Generation. Dies gibt den Kontroversen über den F bis heute eine starke politische Brisanz.

Antifaschismus, Antisemitismus, Arbeiterklasse, Auschwitz, autoritärer Populismus, Berufsverbot, Bonapartismus, Charisma/charismatische Führung, Einheitsfront, Endlösung, Entnazifizierung, Extremismus, Faschisierung, Faschismus, Faszination, Finanzkapital, Folter, Fordismus, Frankismus, Führung, Genozid, geschichtlicher Block, Hegemonialapparat, ideologische Staatsapparate/repressiver Staatsapparat, Ideologietheorie, Imperialismus, japanischer Faschismus, Judenfeindschaft, Klassenjustiz, Klassenkompromiss, Kleinbürger, Konservatismus, Konterrevolution, Kräfteverhältnis, Leviathan, links/rechts, Massenbewegung, Militärdiktatur, Militarismus, Modernisierung, Nazismus, Normalisierung, Ökonomismus, passive Revolution, Pinochetismus, Pogrom, Polizeistaat, Populismus, Produktionsweise, Propaganda/Agitation, Rasse und Klasse, Rassismus, Reaktion, relative Autonomie, Salazarismus, Sozialfaschismus, Staatsterrorismus, Subjekt, Taylorismus, Totalitarismus, Überbau, Unterwerfung, Volk, Volksfeinde, Volksfront, Zensur, Zivilgesellschaft

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