Ausbeutung

A: istighlāl, istithmār. – E: exploitation. – F: exploitation. – R: ėkspluatacija, ugnetenie. – S: explotación. – C: boxue

Johannes Berger

HKWM 1, 1994, Spalten 736-743

Ursprünglich diente das Wort dazu, Vorgänge der Extraktion von Bodenschätzen in Erzminen, Kohlegruben etc. zu bezeichnen. Dieser Sinn hat sich bis heute erhalten. Eine sozialwissenschaftliche Karriere machte der Begriff in der westlichen Gesellschaftstheorie. Allgemein wurde und wird der Terminus A dazu benutzt, die Substanz »ungerechter« oder »unfairer« Beziehungen zwischen Personen oder Gruppen auf den Begriff zu bringen. Ganz allgemein kann unter A die unfaire Ausnutzung günstiger Gelegenheiten verstanden werden. Ersichtlich besitzt jede Behauptung von A insofern einen normativen Bezugspunkt, als sie von der Vorstellung einer ausbeutungsfreien, als »fair«, »gerecht« oder »herrschaftsfrei« empfundenen Beziehung angeleitet ist, die ausbeuterischen Zuständen vorgezogen wird.

Seine erste strenge wissenschaftliche Ausarbeitung erhält der Begriff in der politischen Ökonomie von Adam Smith und insbesondere in der Wert- und Mehrwerttheorie Ricardos. Im antikapitalistischen und sozialistischen Schrifttum des 19. Jh. hat der A-Begriff eine zentrale Rolle in der Kritik an Verhältnissen gespielt, in denen eine Personengruppe (die Kapitalisten) sich ungerechtfertigt das Produkt einer anderen Gruppe (der Arbeiter) aneignet. Obwohl entsprechende Gedanken schon in der Ricardo-Schule formuliert worden waren und die Kritik am Privateigentum das ganze 19. Jh. durchzieht (vgl. vor allem die französischen Sozialisten von Saint-Simon bis Proudhon), ist die A-Theorie wissenschaftlich wirksam erst mit Marx geworden.

Analytischer Marxismus, Aneignung, Antagonismus, Arbeitskraft, Arbeitsmarkt, Arbeitszeit, Arbeitszeitverkürzung, bürgerliche Gesellschaft, disponible Zeit, Distribution, Eigentum, Entfremdung, Familienarbeit/Hausarbeit, Feudalismus, gerechter Lohn, Gerechtigkeit, Hausarbeitsdebatte, Herrschaft, Kapitalismus, kapitalistische Produktionsweise, Klassenbewusstsein, Markt, Mehrarbeit, Mehrwert, Normen, Peripherie/Zentrum, Privateigentum, Produktion, Reproduktion, sekundäre Ausbeutung, Sklaverei, Surplus, ungleicher Tausch, Unterdrückung, Wertgesetz

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