Epoche
A: ḥiqba. – E: epoch. – F: époque. – R: ėpocha . – S: época. – C: shidai 时代
Fredric Jameson (SH, WFH)
HKWM 3, 1997, Spalten 659-681
E bzw. griech. ἐποχή (von ἐπ-ἔχω) meint zunächst Aufhören, Einhalt, Unterbrechung (bei Polybios etwa des Krieges), Zurückhalten (bei Galen etwa des Samens) oder Aussetzen einer Zahlung (oder bei Plutarch des Lichts bei einer Sonnen- oder Mondfinsternis); in der Astronomie bei Ptolemäus die Positionsbestimmung (in Längen- und Breitengrad) und schließlich bei Plutarch die ›Kon-stellation‹ als die Stellung der Sterne zueinander im Horoskop (ἐποχὴ ἀστέρων); in der Philosophie bei Metrodoros und Chrysipp die methodische Zurückhaltung bzw. Aussetzung des Urteils (Liddell-Scott). (Im Sinne der Urteilsenthaltung wird der Term dann von Husserl übernommen, um die Aussetzung oder Ausklammerung der Frage zu bezeichnen, ob bestimmten Bewusstseinsgehalten objektive Realität entspricht.) – Lange Zeit galt E als »Kunstwort« der Skeptiker (Benseler; Gemoll; Hossenfelder in HWPh 2), doch ist »ἐπέχειν im Sinne von ›auf eine voreilige Meinungsäußerung verzichten‹, ›sich zurückhalten‹ alter Sprachgebrauch« und findet sich etwa bei Herodot und Aischylos (Görler 1994). Dass die Zurückhaltung als Innehalten gemeint ist, zeigt sich daran, dass etwa Arkesilaos die E »mit der Abwehrhaltung eines Faustkämpfers« und »dem Anhalten eines Renngespanns durch seinen Lenker« vergleicht. – Aufklärung und Revolution des 18. Jh. übertragen den Term auf die – und in die – Geschichte und bilden »die Idee ihrer mit dem Zeitverlauf fortschreitenden und von ihm bedingten Differenzierung und Entwicklung, in der ein Zustand der Dinge oder Ereignisse einem anderen folgt« (Riedel 1972). Viele unterschiedliche E-Begriffe – zyklische, ›Menschenalter‹, christlich-erlöserische, bürgerlich-fortschrittliche – waren noch im Umlauf, als Marx mit seinen Arbeiten auf eine Weise eingriff, die geschichtliches Gliederungsdenken entscheidend beeinflusste. Er theorisiert den Begriff nicht eigens, doch ist dessen operativer Gebrauch für ihn selbstverständlich. Er bindet E-Wechsel zurück auf strukturelle Veränderungen in der Produktionsweise […]. Der Begriff der E lässt sich nicht reduzieren auf ›Geschichtsphilosophie‹, doch sind beide Themen eng, vielleicht untrennbar miteinander verknüpft. Bereits innerhalb des Begriffs der E selbst besteht eine uralte Spannung: der Vorstellung eines Zeitpunkts oder Moments steht die einer Periode oder eines Kontinuums gegenüber (vgl. Riedel 1972).
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