Entkolonisierung
A: taḥarrur min al-isti‛mār. – E: decolonization. – F: décolonisation. – R: dekolonizacija. – S: descolonización. – C: fei zhimin hua 非殖民化
Gerhard Hauck
HKWM 3, 1997, Spalten 484-487
Am Ende des Ersten Weltkriegs war der bei weitem größte Teil Afrikas, Süd- und Südostasiens sowie Ozeaniens noch formeller europäischer Kolonialherrschaft unterworfen. 1948 wurde Indien, Ausgangspunkt und Zentrum der britischen Kolonialpolitik, auf den Druck von Gandhi und dem Indian National Congress hin in die Unabhängigkeit entlassen; ebenso Burma und Ceylon. 1950 mussten sich die Niederländer aus Indonesien zurückziehen, wohin sie nach ihrer Vertreibung durch die Japaner im Zweiten Weltkrieg 1945 kurzfristig zurückgekehrt waren. 1954 mussten dann die Franzosen nach ihrer militärischen Niederlage bei Dien Bien Phu und dem Genfer Abkommen ihren indochinesischen Kolonialbesitz aufgeben. 1957 erhielt Ghana als erstes schwarzafrikanisches Land die Unabhängigkeit. Bis 1964 folgten alle anderen englischen, französischen und belgischen Kolonien des Kontinents mit Ausnahme Simbabwes, das erst 1979 die weiße Herrschaft abschütteln konnte. 1974 konnten sich Angola, Mosambik und Guinea-Bissau aus portugiesischer Gewalt befreien. Die formelle europäische Kolonialherrschaft war damit praktisch verschwunden. In Indonesien, Indochina, Algerien, den afrikanischen Kolonien Portugals und Simbabwe waren zu ihrer Beseitigung gewaltsame Befreiungskriege notwendig gewesen; in der Mehrzahl der ehemaligen Kolonien reichten jedoch relativ friedliche Massenaktionen aus.
Die Ursache für diesen Prozess der E liegen zum einen in der veränderten weltpolitischen Situation nach 1945, zum anderen im antikolonialen Widerstand im Inneren der ehemaligen Kolonien.
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