Identitätspolitik
A: siyāsat al-huwīya. – E: identity politics. – F: politique d’identité. – R: politika identifikacii. – S: política identitaria. – C: tongyixing zhengce 同一性政策
Thomas Geisen
HKWM 6/I, 2004, Spalten 671-680
Im Kontext der Neuen sozialen Bewegungen wurden Formen der politischen Auseinandersetzung geprägt, die individuelle und kollektive I.en zur Grundlage und zum Gegenstand politischer Aushandlungsprozesse machen. Die häufig durch Ablehnung etablierter (etatistischer/klassengebundener) Politikformen motivierte IP ist in vielfältigen Varianten um die Kategorien Ethnie und Geschlecht bzw. Sexualität zentriert. Impulse gingen von der antikolonialen Bewegung, der schwarzen Befreiungsbewegung in den USA sowie den Frauen-, Schwulen- und Lesben-Bewegungen aus. Erste kritische Auseinandersetzungen erfolgten innerhalb der Frauenbewegung in den 1970er Jahren durch schwarze Feministinnen. Bedeutung gewann das Konzept auch in der Diskussion um die Organisation ethnischer und kultureller Minderheiten (Multikulturalismus). Neuere Debatten lassen den Versuch erkennen, IP im Spannungsfeld von ›Anerkennung und Umverteilung‹ zu verorten und ihr Verhältnis zu ›Differenz‹ genauer zu bestimmen. Im Kampf um Hegemoniegewinnung, Widerstand und Befreiung nimmt IP eine ambivalente Position ein: Wo zunächst die Erweiterung eines reduktionistischen Politikverständnisses auf dem Programm stand und der Gegensatz von Interessen- und IP aufgehoben werden sollte, kam es nicht selten zur Aufteilung und Zersplitterung der Bewegungen, was ihre Integration im Rahmen eines ›pluralen‹ staatlich-zivilgesellschaftlichen Machtsystems erheblich erleichterte.
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