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k:konsens [2024/02/20 07:47]
christian
k:konsens [2024/02/20 07:48] (aktuell)
christian
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 Vertrauen in die Herrscher ist etwas anderes als bewusste, erklärte Zustimmung, sich den Gesetzen zu unterwerfen, die nach Rousseaus Vorstellung vom [[g:Gesellschaftsvertrag]] mindestens einmal einmütig (//consentement unanime//) bestanden haben muss – »denn die [[a:Assoziation]] der Bürger ist die freiwilligste [[h:Handlung]] der Welt«; niemand kann den anderen »ohne seine Einwilligung unterwerfen« (//Vom Gesellschaftsvertrag,// 1762, IV.II; 1989). Zwischen beiden Polen erstreckt sich das Bedeutungsfeld von K, mit charakteristischen Übergängen wie ›Einverständnis‹ oder ›Überzeugung‹, die sich allesamt in aktivem wie passivem Sinn gebrauchen lassen. Das verschafft dem K-Begriff seinen [[i:Ideologietheorie|ideologietheoretisch]] interessanten, doppelten Boden: Was – vorrangig im Modus der [[f:Fiktion]] – die Möglichkeit freier und gleicher Teilhabe an der rechtlich-politischen Grundgestaltung des Gemeinwesen verheißt (eine wichtige Waffe bei der [[e:Emanzipation]] der Bürger von der Feudalherrschaft), findet sich im politischen Alltagsleben der ›liberal-demokratischen‹ Regimes auf kapitalistischer Grundlage als weithin unbefragte subalterne Zustimmung zum politisch-kulturellen Projekt der führenden Kräfte innerhalb eines herrschenden <!--[-->[[m:Macht|Macht]]<!--]-->blocks. Vertrauen in die Herrscher ist etwas anderes als bewusste, erklärte Zustimmung, sich den Gesetzen zu unterwerfen, die nach Rousseaus Vorstellung vom [[g:Gesellschaftsvertrag]] mindestens einmal einmütig (//consentement unanime//) bestanden haben muss – »denn die [[a:Assoziation]] der Bürger ist die freiwilligste [[h:Handlung]] der Welt«; niemand kann den anderen »ohne seine Einwilligung unterwerfen« (//Vom Gesellschaftsvertrag,// 1762, IV.II; 1989). Zwischen beiden Polen erstreckt sich das Bedeutungsfeld von K, mit charakteristischen Übergängen wie ›Einverständnis‹ oder ›Überzeugung‹, die sich allesamt in aktivem wie passivem Sinn gebrauchen lassen. Das verschafft dem K-Begriff seinen [[i:Ideologietheorie|ideologietheoretisch]] interessanten, doppelten Boden: Was – vorrangig im Modus der [[f:Fiktion]] – die Möglichkeit freier und gleicher Teilhabe an der rechtlich-politischen Grundgestaltung des Gemeinwesen verheißt (eine wichtige Waffe bei der [[e:Emanzipation]] der Bürger von der Feudalherrschaft), findet sich im politischen Alltagsleben der ›liberal-demokratischen‹ Regimes auf kapitalistischer Grundlage als weithin unbefragte subalterne Zustimmung zum politisch-kulturellen Projekt der führenden Kräfte innerhalb eines herrschenden <!--[-->[[m:Macht|Macht]]<!--]-->blocks.
  
-Die Funktionsnotwendigkeit des K sollte aber nicht zu dem Fehlschluss verleiten, ihn abstrakt als Gegensatz zum Zwang zu verstehen. Stattdessen geht es darum, das Zusammenwirken von Zwang und K als »dialektisches Verhältnis« (Gramsci, //Gef//) im Rahmen konkreter gesellschaftlicher Formationen zu erfassen. »Die ›normale‹ Ausübung der [[h:Hegemonie]] auf dem klassisch gewordenen Feld des parlamentarischen Regimes zeichnet sich durch eine Kombination von Zwang und K aus, [...] ohne dass der Zwang den K zu sehr überwiegt« (...). Die Fähigkeit, politische [[e:Entscheidung]]en auf K zu gründen, ist in ihrem Bedeutungswechsel zu untersuchen: was der Möglichkeit nach gemeinschaftliche Regelung von gesellschaftlichen Angelegenheiten, ohne Macht in Herrschaft zu verwandeln, anzeigt – die Perspektive horizontal-funktionaler Regulierung des Gemeinwesens –, ist unter Bedingungen der Klassenherrschaft in der durch [[g:Gewalt]] gestützten und diese zugleich begrenzenden Funktion zusammengezogen, die Zustimmung der Subalternen zur Herrschaft zu organisieren.+Die Funktionsnotwendigkeit des K sollte aber nicht zu dem Fehlschluss verleiten, ihn abstrakt als Gegensatz zum Zwang zu verstehen. Stattdessen geht es darum, das Zusammenwirken von Zwang und K als »dialektisches Verhältnis« (Gramsci, //Gef//) im Rahmen konkreter gesellschaftlicher Formationen zu erfassen. »Die ›normale‹ Ausübung der [[h:Hegemonie]] auf dem klassisch gewordenen Feld des parlamentarischen Regimes zeichnet sich durch eine Kombination von Zwang und K aus, [...] ohne dass der Zwang den K zu sehr überwiegt« (...). Die Fähigkeit, politische [[e:Entscheidung|Entscheidungen]] auf K zu gründen, ist in ihrem Bedeutungswechsel zu untersuchen: was der Möglichkeit nach gemeinschaftliche Regelung von gesellschaftlichen Angelegenheiten, ohne Macht in Herrschaft zu verwandeln, anzeigt – die Perspektive horizontal-funktionaler Regulierung des Gemeinwesens –, ist unter Bedingungen der Klassenherrschaft in der durch [[g:Gewalt]] gestützten und diese zugleich begrenzenden Funktion zusammengezogen, die Zustimmung der Subalternen zur Herrschaft zu organisieren.
  
 II. Emanzipatorische Politik zielt auf die Herstellung gesellschaftlicher Verhältnisse, in denen Entscheidungen, die alle betreffen, ohne Zwangseinwirkungen, also herrschaftsfrei, getroffen werden. Daher gehört K zu den Grundbegriffen einer [[b:Befreiung|Befreiungs]]theorie, die [[d:Demokratie]] »als gesellschaftliche Organisationsform« versteht, »die ausgerichtet ist an der regulativen Idee einer Überwindung von Herrschaftsbeziehungen« (Fisahn 2008). Als empirisch vorgefundene »regulierte Anarchie« (Weber, //WuG//) – ein Begriff, den Christian Sigrist (1971/1994) am Beispiel [[h:herrschaftsfreie Gesellschaft|herrschaftsloser Gesellschaften]] in Afrika ausgearbeitet hat – oder konkret-utopische »regulierte Gesellschaft« (Gramsci, //Gef//) ist die gemeinschaftlich-konsensuale [[k:Kontrolle]] der gesellschaftlichen <!--[-->[[l:Lebensweise, Lebensbedingungen|Lebensbedingungen]]<!--]--> »Ausgangspunkt wie Fluchtpunkt« (Haug 1993) demokratischer Umgestaltung. II. Emanzipatorische Politik zielt auf die Herstellung gesellschaftlicher Verhältnisse, in denen Entscheidungen, die alle betreffen, ohne Zwangseinwirkungen, also herrschaftsfrei, getroffen werden. Daher gehört K zu den Grundbegriffen einer [[b:Befreiung|Befreiungs]]theorie, die [[d:Demokratie]] »als gesellschaftliche Organisationsform« versteht, »die ausgerichtet ist an der regulativen Idee einer Überwindung von Herrschaftsbeziehungen« (Fisahn 2008). Als empirisch vorgefundene »regulierte Anarchie« (Weber, //WuG//) – ein Begriff, den Christian Sigrist (1971/1994) am Beispiel [[h:herrschaftsfreie Gesellschaft|herrschaftsloser Gesellschaften]] in Afrika ausgearbeitet hat – oder konkret-utopische »regulierte Gesellschaft« (Gramsci, //Gef//) ist die gemeinschaftlich-konsensuale [[k:Kontrolle]] der gesellschaftlichen <!--[-->[[l:Lebensweise, Lebensbedingungen|Lebensbedingungen]]<!--]--> »Ausgangspunkt wie Fluchtpunkt« (Haug 1993) demokratischer Umgestaltung.

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k/konsens.txt · Zuletzt geändert: 2024/02/20 07:48 von christian     Nach oben
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